Österreich bekommt den gläsernen Spender

Vorgestern hat der Nationalrat Österreichs beschlossen, das ab 2017 spendenbegünstigte Organisationen Daten ihrer Spender an das Finanzamt automatisch weiterleiten müssen. Der Protest der Spendenorganisationen blieb ungehört und hat nun Folgen.

von Matthias Daberstiel

Gestern beschloss der Nationalrat die automatisierte Übermittlung von Spenderdaten ab 2017. Es wurde damit die umstrittene Vorlage der Regierung unverändert beschlossen. Die Grünen hatten zwar noch einen Abänderungsantrag zur Beibehaltung der bestehenden Regelung eingebracht, aber ohne Erfolg. Dieses neue Gesetz wird nach Schätzungen des Fundraisingverband Austria (FVA) zu zusätzlichen Kosten von jährlich 25-30 Millionen Euro im dritten Sektor verursachen - Geld, das im Sozialbereich, im Umweltschutz oder in der Forschung fehlen wird. Deshalb kritisiert der FVA, dass mit diesem Gesetz, zwar die staatlichen Kassen entlastet und Bürokratie abgebaut würde, die rund 1000 spendenbegünstigten Vereine aber extrem belastet werden.

Bürokratieabbau?

Am meisten ärgert Günther Lutschinger, Geschäftsführer des FVA aber, dass in das Vertrauensverhältnis der Organisation zu den Spendern eingegriffen wird. „Spenden ist Vertrauenssache und soll es auch bleiben", betont er. "Die umfassende Einsicht der Finanzverwaltung im Sinne eines „gläsernen Spenders“ ist dafür alles andere als förderlich".  Doch genau das passiert jetzt. Spendenorganisationen müssen lohnsteuerpflichtige Spender mit Vor- und Zuname, Geburtsdatum und Spendenhöhe im Rahmen der automatischen Arbeitnehmerveranlagung für das Kalenderjahr 2017 melden, wenn diese eine Spendenbegünstigung bekommen wollen. Das Geburtsdatum ist dabei besonders wichtig, denn nur so können die Daten automatisch dem jeweiligen Steuerpflichtigen zugeordnet werden, wie das Finanzministerium mitteilt.
Dieser Abgleich soll anhand eines Webservice eines zentralen Melderegisters durch die Organisationen vorgenommen werden. Dort wird den Spendern dann ein bereichsspezifisches Personenkennzeichen eine sogenannte „Steuer-bPk“ zugeordnet, die dann dazu führt das in der Finanzverwaltung die Spenden automatisch in der Arbeitnehmer-Veranlagung berücksichtigt wird. Sicher eine Erleichterung für die Arbeitnehmer. Doch die Steuerbegünstigung wurde in Österreich erst
2009 eingeführt, was zu einer Steigerung des Spendenaufkommen um rund 50 Prozent führte. Meist durch Kleinspender. Derzeit wird aber nur jede vierte Spende überhaupt steuerlich gelten gemacht. Lutschinger befürchtet deshalb, dass die nun folgende Vollerhebung einen Steuerausfall von 50 bis 70 Millionen Euro für den österreichischen Haushalt bedeutet und so Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Spendenabsetzbarkeit ist.

Spender werden verschreckt

Ein wichtiger Kritikpunkt ist die Erhebung des Geburtsdatums. Hier sehen viel Spendenorganisationen das größte Problem, denn wer sein Datum nicht angibt, kann keine Steuerbegünstigung erhalten, was zwangläufig zu Ärger und somit auch zu Spendenausfällen führen kann. Johannes Pasquali, Sprecher des Bundesministeriums für Finanzen versteht diese Sorgen nicht. „Es wird für Bürger, die künftig spenden, einfacher die Spende von der Steuer abzusetzen. Das ist ein weiterer Anreiz, mehr zu spenden.“ Nach seiner Ansicht geht es hier nur um eine Verwaltungsvereinfachung und mehr Bürgerservice. Er sieht sogar Vorteile für die Spendenorganisationen, denn der Aufwand für die Erstellung von Spendenbestätigungen würde ja wegfallen. „Künftig werden diese Informationen über eine Schnittstelle direkt elektronisch übermittelt. Ähnliches passiert heute schon mit Millionen an Jahreslohnzettel, die ebenso automatisch eingespielt werden. Für die Spender ist dies ebenso eine große Vereinfachung, denn es müssen diese Belege nicht mehr gesammelt werden und die Spenden werden im Zuge der Steuerveranlagung automatisch berücksichtigt.“

Investitionen nötig

Doch ganz so locker geht es für die Organisationen nicht, denn zum Beispiel sind Personen mit selbstständig erzieltem Einkommen von der Regel ausgeschlossen. Die Organisationen werden also trotzdem alle Spender prüfen müssen. Alle Organisationen dürften auch in Software und Ausstattung investieren müssen, um mit ihrer Software einen Abgleich durchführen zu können. Denn händisch ist das nicht zu bewerkstelligen. Pasquali verspricht, dass bis Ende 2016 für die Organisationen die entsprechenden Schnittstellen eingerichtet werden, damit diese „einfach und unbürokratisch die Daten einspielen können“. Denn die ersten Spenden 2017 müssen spätestens bis Ende Februar 2018 gemeldet werden. Aber auch eine laufende Übermittlung sei bereits 2017 möglich. Unterbleibt die Übermittlung, verliert die gemeinnützige Organisation nach einmaliger Warnung ihren steuerbegünstigten Status.

„Der Fundraising Verband hat gemeinsam mit vielen Organisationen und anderen Partnern gegen dieses Bürokratiemonster gekämpft. Letztlich waren diese Bemühungen ohne Erfolg. Wir möchten uns bei allen, die Stellungnahmen abgegeben, Briefe verfasst oder Kontakte mobilisiert haben, für die gemeinsame Kraftanstrengung bedanken“, zeigt sich Günther Lutschinger in einer ersten Stellungnahme enttäuscht, aber auch dankbar. Er wird sich mit seinem Verband für eine möglichst einfache Umsetzung in der Praxis einsetzen.

Für die Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen (IGO) in Österreich bedeutet diese Neuerung ein Déjà-vu, hat sie doch 2010 im Zuge einer Petition an den Finanzminister mehr als 220 Geschäftsführer und Obleute spendenbegünstigter Organisationen gegen die "Verpflichtung zur Übermittlung der Sozialversicherungsnummer im Zusammenhang mit dem Spendenvorgang" mobilisiert. Wenig später wurde diese Auflage dann auch tatsächlich zurückgenommen. Neidisch schauen viele Organisationen nach Deutschland, wo die Spendenabsetzbarkeit Normalität ist. In Österreich mussten sich zum Beispiel Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der WWF dieses Recht mit Demonstrationen (Bild) erst erkämpfen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar des Autors.

Bild: WWF Österreich, 2010

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