Kleingeld für Kultur, Kapital für Kommerzielle

Crowdfunding in der Schweiz betreiben einerseits Einzelpersonen oder Gruppen für viele kleine Kulturprojekte, andererseits einige junge Unternehmen. In wenigen Fällen haben diese erhebliches Kapital geworben. Eher an deren Umsätzen und Methoden müssen sich die Schweizer Hilfswerke und ihre Fundraising-Abteilungen orientieren; noch gibt es von ihnen nichts Praktisches zu berichten.

Von Andreas J Cueni

Die größte Schweizer Crowdfunding-Plattform wemakeit.ch meldete im Februar 2013 nach einem Jahr Existenz 1,51 Millionen Franken Sammelergebnis für 298 Projekte. 63 Prozent von ihnen (189 in absoluten Zahlen) schlossen erfolgreich ab. Diese Erfolgsrate nennen die Macher weltweit einmalig. Im Schnitt generierte eine Kampagne auf wemakeit.ch vergangenes Jahr 6 400 Franken, Tendenz steigend. Das erfolgreichste Projekt, ein Buch über einen Zürcher Musikclub, erzielte mit 259 Spendern 34 000 Franken. 90 Prozent des Ergebnisses gehen an die Projektträger, zehn Prozent sind Gebühren für Plattform und Partnerfirmen.
Die kurz nach wemakeit.ch gestartete Website 100-days.net brachte es zum gleichen Zeitpunkt auf 79 erfolgreiche Projekte, die genau eine halbe Million Franken addierten. Die Erfolgsquote liegt bei 50 Prozent, dafür beansprucht 100-days.net einen Schweizer Rekord für das umsatzstärkste Einzelprojekt von 54 000 Franken. Dabei handelt es sich um eine Wohngruppe für Jugendliche in erschwerten Lebensumständen im Kanton Zürich, das einige Spenden zwischen 3 000 und 5 000 Franken erhielt. Hinter dem Pro­jekt stehen der Verein betreutes Wohnen und eine Freikirche.

Junge Kultur-Plattformen steigern Umsätze 

100-days.net bietet technische und statistische Einsichten: So war der Zahlungsweg via Postfinance (die Schweizer Postbank) mit 31 Prozent der beliebteste; im Angebot waren auch die Master- und Visa-Card, PayPal und SMS-Spenden. Die durchschnittliche Spende stieg während der jungen Existenz der Plattform an, von 66 Franken in den ersten drei Monaten auf 140 Franken (wemakeit.ch meldet den gleichen Durchschnitt) nach neun Monaten, was die Macher als zunehmenden Vertrauensbeweis deuten. Ins­ge­samt 4 200 Booster, so der Begriff für Spender, leisteten Beiträge.

Namhafte Non-Profit-Organisationen haben sich im Crowdfunding nicht versucht. 100-days.net bietet zum weitaus größten Teil Kulturprojekte an, wemakeit.ch sogar ausschließlich. Deren Start-Finanzierung haben Kultur-Förderstiftungen in der Hoffnung ermöglicht, dass die Investition sich vervielfachen lässt und neue Publika für Kultur er­schließt.

Wechselt der Beobachter zu c-crowd.com, präsentiert ihm diese Plattform eine neue Rekordmarke: Dort hat die Suitart AG, die Anzüge vertreibt, innerhalb von fast vier Monaten 549 000 Franken im Rahmen eines „Fundraisings“ beschafft. Junge Firmen wie die 2009 gegründete Suitart benennen Kam­pag­nen zur Beschaffung von Grün­dungs-Kapital oder Kapitalerhöhungen genauso Fundraising wie NPO ihre Spen­den­samm­lungen.

C-crowd.com ist weniger präsent als die beiden zuerst genannten Plattformen, die Objekt einer ganzen Reihe von Artikeln auf den Kulturseiten von Zeitungen oder von Radiosendungen waren (in denen projektstarter.ch nirgends vorkam, weshalb diese Seite geringe Umsätze generiert). Die Seite erlaubt kommerziellen und gemeinnützigen wie kulturellen Initiativen Präsenz und hat sich selbst als AG konstituiert (wemakeit.ch und 100-days.net sind GmbHs). Sie präsentiert im Februar 2013 drei kommerzielle und fünf Spenden-Projekte und meldet einen addierten Sammelstand von 729 000 Franken. Unter den Erfolgsgeschichten steht neben Suitart eine weitere Firmenkapital-Beschaffung für 108 000 Franken.

Wenige Jungunternehmen holen sich namhaftes Kapital

Noch mehr Tradition als die Ende 2010 gegründete c-crowd.com hat investiere.ch. Das Angebot steht seit Februar 2010 im Netz und distanziert sich vom gewöhnlichen, kom­mer­ziel­len Crowdfunding. Es be­zeich­net sich als Hybrid zwischen bewährten Ri­si­ko­kapital-Methoden sowie Online- und Social Media-Fundraising. Denn alle vor­ge­stell­ten Jungunternehmen haben gemäß Ei­gen­deklaration einen rigorosen Prü­fungs­pro­zess durchlaufen, hinter dem die Zuger Verve Capital Partners AG steht. Während die meisten Plattformen englische Namen tragen, aber deutsch kommunizieren, bleibt „investiere“ das einzige deutsche Wort auf investiere.ch. Die Seite listet 14 abgeschlossene Kapitalkampagnen auf mit jeweils durchaus sechsstelligen Resultaten und einer Gesamtsumme von 3,11 Millionen Franken. 720 000 Franken für einen Windturbinen-Hersteller bilden den Rekord.

Große Kampagnen laufen auch ohne Plattformen

Als Crowdfunding-Aktion versteht sich auch roboy.org, die Sammlung für den menschenähnlichen Roboter der Uni Zürich, die in zwei Monaten immerhin 70 Prozent der Zielsumme von 500 000 Franken erbrachte. Neben 80 Privatpersonen listet die Seite Dutzende von Firmen als Supporter auf. Für einen Beitrag von 5 000 Franken kommt Roboy zu Besuch; die Forscher nahmen aber auch einen Fünfliber (Fünffrankenstück) entgegen.

Schließlich wählte die Plattform crowdstreet.de ein Schweizer Projekt zum Crowd­funding des Jahres 2012. Auch hier ging es um eine kommerzielle Ka­pi­tal­be­schaf­fung. Der Basler Unternehmer Thomas Steine­mann bot über duboisfils.ch Aktien ab 500 Franken für die Neulancierung der alten Schweizer Uhrenmarke „DuBOIS et fils“ an. Er konnte so in fünf Mo­na­ten mit mehr als 220 Aktionären aus 19 Ländern 1,5 Millionen Franken häufen; damit wäre wieder ein neuer Schweizer Rekord auf­ge­stellt. Aktionäre haben das Recht, im ersten Jahr eine Uhr, die im Laden 6 000 bis 9 000 Franken kostet, zum halben Preis zu erwerben.

Duboisfils.ch und roboy.org sorgten für starke, auch internationale Medienpräsenz während der Sammelaktionen und zwar in traditionellen Medien wie Zeitungen und Fachzeitschriften. Das ist ein Erfolgsfaktor für die Mittelbeschaffung. Die Möglichkeit, sich als Spender mit seinem Namen auf dem Becken des Roboters zu verewigen, war aus­ver­kauft. Gegenleistungen bilden also einen weiteren Antrieb. Werden die traditionellen Hilfswerke bald Brunnen in Afrika installieren, auf denen hunderte von Schweizer Spendernamen aus Crowdfunding-Aktionen eingraviert sind?

Andreas J. Cueni, lic. phil., veranstaltet in Basel regelmäßig Referate sowie Treffen zum Er­fah­rungs­austausch und schreibt Artikel. Er begleitet seit 1995 Non-Profit-Organisationen bei der Mittelbeschaffung und Kommunikation und seit 2001 als selbständig tätiger Berater.

www.andicueni.ch

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