Warum manche Länder reich und andere arm sind
Um den heißen Brei herum reden ist nicht Erik Reinerts Sache. So heißt es in seinem Buch bereits vor dem Vorwort: „Die wirtschaftstheoretischen Abstraktionen sind mit eine Ursache für die immer stärker werdenden real- und finanzwirtschaftlichen Krisen des Westens.“ Hier schreibt ganz klar ein Autor, der bei aller fundierter Theorie für die Antworten der Praxis brennt. Die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich ist für Reinert grundsätzlicher Kern seines ökonomischen Denkens, aber vor allem Anlass für die Suche nach Antworten auf die Frage, warum das Wirtschaftswachstum weltweit so unterschiedlich ausfällt. Einen Ansatz findet er darin, „dass ein wichtiges deutsches Erbe – das einstige deutsche Ökonomieverständnis – in Vergessenheit geraten ist“. Als studierter Ökonom hat er seine Hausaufgaben gründlich erledigt und bewegt sich souverän zwischen den unterschiedlichsten Modellen von Wirtschaftstheorie, langweilt den Leser aber nicht mit trockenen Referaten. Sein „Stammbaum der Ökonomik“ ist mit Sicherheit ein Leckerbissen für alle Experten auf dem Gebiet, kann aber vom interessierten Laien genauso gut ignoriert werden, da das Buch auch nicht zuletzt durch den praktischen Fokus die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Krisen und sozialen Problemen nicht aus dem Blickfeld verliert. Von vergangenen Kolonialzeiten bis hin zur aktuellen Rolle Mario Draghis und der EZB spannt sich hier ein gut zugänglicher Bogen, der sowohl auf dem Gebiet der Ökonomie Unbelesenen als auch Fortgeschrittenen neue Einsichten liefert.
Rico Stehfest
Erik S. Reinert. Warum manche Länder reich und andere arm sind. Wie der Westen seine Geschichte ignoriert und deshalb seine Wirtschaftsmacht verliert
Verlag Schäfer Poeschel. 2014. 254 Seiten
ISBN: 9783791031842. 24,95 €