"Bedenkenträger hält man durch Erfolg in Schach"

Cornelia Kliment DHF Funds Consult Deutscher Hochschulverband Interview

Cornelia Kliment ist Geschäftsführerin der Deutschen Universitätsstiftung und Leiterin von DHV-Funds-Consult, der Fundraisingberatung des Deutschen Hochschulverbandes. Ein Teil der Beratung ist die Agentur „Leaders In Science“, die auch Fundraiserinnen und Fundraiser für Hochschulen findet und anwirbt.

Matthias Daberstiel sprach mit der Expertin für Hochschulfundraising über die Chancen, in diesem Bereich Karriere zu machen.

Warum wollen Menschen Hochschulfundraiser werden?

Weil ein höchst abwechslungsreicher Job mit Verantwortung und einem hohen Maß an Selbstbestimmung geboten wird. Sehen Sie, Hochschulfundraiser haben normalerweise eine sehr enge Anbindung an Ihren Präsidenten oder Rektor, was eine doch herausgehobene Position ist. Meine Kollegin und Beraterin bei DHV Funds Consult Inge Reichenbach war Vicepresident Development in Yale. Ihre Meinung wurde nicht nur gehört, von ihrer Meinung wurden Entscheidungen abhängig gemacht. So eine Position in einem Umfeld, das sehr intellektuell ist, das hat man in anderen Jobs nicht. Ich kenne daher nur wenige Fundraiser, die sich in den letzten 25 Jahren aus diesem Job wieder verabschiedet haben.

Aber ist das denn für Hochschulen im deutschsprachigen Raum vergleichbar? Hier spricht man doch eher von Stabsstellen.

Sicher ist eine solche Position mit dieser Verantwortung, wie sie Inge Reichenbach zuletzt hatte, hier kaum zu finden. Aber es gibt schon sehr viele Hochschulen, die bereits professionell, langfristig und erfolgreich im Fundraising unterwegs sind und eine Stelle oder Abteilung direkt neben der Hochschulleitung aufgebaut haben. Soweit sind wir schon. Es ist auch für diesen Job enorm wichtig, dass die Chemie zwischen Rektor und Fundraiser stimmt und großes Vertrauen in die Kompetenz, psychologische Intelligenz, Integrität und Expertise des jeweils anderen besteht. Und Sie müssen respektvoll sein und auch den Erfolg des jeweils anderen wollen.

 Wie viele Hochschulen in Deutschland, schätzen Sie, arbeiten schon in dieser Art und Weise?

Vor vier Jahren haben wir unser erstes Fundraising-Symposium gemeinsam mit der Hochschulrektorenkonferenz durchgeführt. Das Symposium ist exklusiv für Hochschulleitungen entwickelt worden. Beim ersten Mal hatten wir 28 Teilnehmer. Darunter auch viele Rektoren, die hören wollten, welche Erfolge die ersten Universitäten zu verzeichnen hatten. Heute haben wir 100 Teilnehmer aus Hochschulleitungen. Und der Anteil derer, die Fundraising einführen wollen oder es schon eingeführt haben, ist sprunghaft gestiegen. Wir von DHV-Funds-Consult haben 50 Hochschulen dabei begleitet und bei der Personalauswahl beraten.

Es gibt also eine Nachfrage, aber doch eigentlich keine richtige Ausbildung für Hochschulfundraiser, oder?

Völlig richtig. Weltweit sogar nicht. In Deutschland gibt es die Fundraising Akademie, die sich aber verpflichtet fühlt, für den gesamten Fundraising-Bereich auszubilden. Also eigentlich gibt es nichts, von dem man sagen kann, man hat ein Studium hinter sich, praktisch in einer Fundraisingabteilung einer Hochschule gearbeitet und macht dann ein Masterstudium für Hochschulfundraising. Wenn ich mit Kollegen darüber spreche, gibt es da auf jeden Fall Interesse.

Was muss denn dann ein guter Hochschulfundraiser können?

Er muss eine sehr gute Allgemeinbildung haben, die ihn befähigt gegenüber den Executives wie Herrn Oetker oder Herrn Professor Reemtsma zu sitzen, und ein Gespräch auf hohem intellektuellen Niveau zu führen. Diese Personen sind erfahrene Entscheider und nicht nur wohlhabend, sondern auch hochgebildet. Die verschwenden keine Zeit, die wollen aus einem Gespräch auch etwas mitnehmen. Zweiter Punkt ist ein umfangreiches und exzellentes Wissen über die eigene Hochschule bis hinein in einzelne Fachbereiche und über die handelnden Personen über die deutsche und internationale Hochschullandschaft und einschlägige Entwicklungen. Auch sollte man wissen, wer in den Fachbereichen den Benchmark setzt. Das Dritte ist der Bereich Empathie. Ich nenne es mal Herzensbildung beziehungsweise psychologische Intelligenz. Um Menschen für eine Sache zu gewinnen, muss man zehnmal mehr brennen, um danach ein kleines Licht zu entzünden. Da geht es nicht um Vertrieb oder Dienst nach Vorschrift. Da ist wirkliche Begeisterung gefragt, weil die eigene Hochschule exzellent ist. Und der vierte Punkt: Fundraiser sind Übersetzer. Sie sind die Brücke zwischen der reichen, mächtigen und entscheidungsbefugten Außenwelt und der Hochschule. Sie müssen ein sehr abstraktes Produkt emotionalisieren. Das können Wissenschaftler meist nicht. Als Fundraiser muss man sich in Unternehmen oder die Menschen reindenken, man muss ein bisschen Chamäleon für die Targetgroup sein, die man überzeugen will und dann beide Seiten verständlich zusammenbringen. 

Wie versuchen denn die Hochschulen, solches Personal zu bekommen?

Ich sprach gestern erst mit einer Hochschule, der ich exzellente Aussichten im Fundraising bescheinige und die sich schon lang mit dem Gedanken trägt, jemanden für den Bereich einzustellen. Nun sprang den Entscheidern aber eine Ehefrau einer Führungskraft über den Weg und plötzlich war man der Meinung: Na, die könnte das doch auch. Leider gibt es auch solche Entscheidungen. Andere Hochschulen versuchen internes Personal, wie Öffentlichkeitsarbeiter, zu Fundraisern zu machen oder versuchen klassisch Stellenanzeigen zu schalten. Dass dies meist nicht so erfolgreich ist, liegt auch daran, dass die Hochschulen sich zu wenig selbst mit dem Thema beschäftigen und die nötigen Strukturen schaffen. Mit der Personalauswahl ist es nämlich nicht getan. Deshalb ist der Prozess oft länger und man muss über die Grenzen hinaus suchen. Für eine Fachhochschule in Süddeutschland haben wir zuletzt eine Fundraiserin aus Boston gewinnen können.

Sie arbeiten also als Headhunter?

Ja, unsere Agentur „Leaders in Science“ ist auch auf Hochschulfundraiser ausgerichtet. Die Aufgabe des Headhunters besteht ja eigentlich darin, im Job erfolgreiche Personen zu identifizieren, die eigentlich gar nicht wechseln wollen, aber genau für den gesuchten Job passen.

Das verlangt aber einen tiefen Einblick in die Szene der Hochschulfundraiser.

Ja und um die zu erreichen schalten wir auch Anzeigen, etwa in der Zeit oder der FAZ oder in Online-Stellenbörsen mit Fundraising-Bezug, wie von alumniclubs.net oder die Ihres Magazins, des Fundraisingverbandes oder des Bundesverbandes deutscher Stiftungen. Damit erreichen wir schon 95 Prozent der Kollegen, die infrage kommen. Darüber hinaus haben wir ein sehr dichtes Netzwerk von Kollegen, die wir ansprechen und die uns bei der Suche helfen. Aber das reicht nicht. Sie müssen die Kollegen in ihren Aktivitäten verfolgen. Ihre Beiträge in Publikationen lesen, ihre Vorträge auf Veranstaltungen hören und permanent mit ihnen in Kontakt bleiben. So kommen sie dann sogar von selbst auf einen zu und unsere Datei wird immer größer. Mittlerweile vermitteln wir auch Fundraiser und Fundraiserinnen im gesamten deutschsprachigen Raum in Europa.

Wie viele Bewerber wünschen sich denn die Hochschulen?

Zumeist wollen sie zwischen 12 und 15 Bewerber zum Auswahltag einladen. Wir haben aber auf sehr gute Stellen wie vor Kurzem bei einer großen wissenschaftsfördernden Stiftung auch durchaus 80 bis 100 Bewerber.

Das ist sehr viel. Ist das normal?

Nein, eher die Ausnahme, weil die Stelle sehr gut dotiert war. Normalerweise haben wie 12 bis 15 Bewerber, die sich auf Ausschreibungen melden und von uns nicht schon aussortiert werden. Bei der oben genannten Stiftung haben wir auch 60 Bewerber in der Vorauswahl gestrichen. Es gibt also durchaus genug Bewerber, die ins Hochschulfundraising hinein wollen. Der Bereich boomt. Sie kommen nur nicht alle rein. Das ist das Desaster.

Woran liegt das? Wird nicht gut genug bezahlt?

Nun es gibt Stellen die mit 100-120.000 Euro sehr gut dotiert sind, das sind aber nur wenige. Normal sind 60-80.000 Euro Jahresgehalt. Nicht überragend, für soviel Verantwortung.

Da muss dann sicher erstmal ordentlich in die Personalsuche investiert werden, um geeignete Bewerber zu finden, oder?

Ja, aber das machen die Hochschulen nicht. Das ist ein wunder Punkt, weil die Hochschulen für den Bereich Personalentwicklung gar keinen Etat oder nicht mal das Geld für ein einigermaßen wettbewerbsfähiges Gehalt haben. Deshalb gleichen für diese Stellen und die Suche danach meist die Fördervereine oder Stiftungen den Gap aus, zwischen dem Budget der Hochschule und den eigentlichen Kosten.

Wie macht man das besser?

Indem man ein gutes Arbeitsumfeld schafft. Eine Fachhochschule im Rheinland hat gerade mit unserer Unterstützung eine Fundraiserin eingestellt, die früher in einer Non-Profit-Organisation noch nicht mal eine Fundraising-Software hatte, also basale Grundvoraussetzungen hatte. Ihr zur Seite werden vier Mitarbeiter aus Marketing- und Kommunikation-, Alumni- und Deutschlandstipendien-Abteilungen gestellt, sodass nun ein schlagkräftiges Team entsteht. Für diese Kollegin, die im Bewerberverfahren klar heraus stach, ist das doch eine Entwicklungschance. Sie wird dadurch auch als Persönlichkeit sichtbarer und ganz anders wahrgenommen, denn auch ihr Präsident legt Wert darauf, dass sie die Hochschule nach außen vertritt.

Da entsteht auch ein sehr persönliche Beziehung zu Ihren Bewerber, denen Sie eine Stelle verschafft haben.

Ja, die sind meine Babies. Ich schau da gerade auf meine Deutschlandkarte, wo sie alle gekennzeichnet sind und wo ich dann einfach mal anrufe und frage, ob sie in einem unserer Seminare mal über ihre ersten Erfolge berichten wollen oder wo wir uns treffen können und immer wieder austauschen. Viele meinen ja sogar ich sei mittlerweile die Mama der Hochschulfundraiser, auch weil ich den Hochschulleitungen in Workshops und Seminaren vermittle, dass sie ihre Fundraiser wertschätzen, fair behandeln und sehr regelmäßig treffen um den Fundraisingaufbau mitzugestalten. Wenn ich höre, das da was schief läuft, habe ich auch den Hochschulverband im Rücken, um positiv einzuwirken.

Oft beginnt es ja schon bei der Frist für die Stelle, schief zu laufen.

Oh ja, dickes Thema, das mir immer wieder begegnet. Eine halbe Stelle ein Jahr befristet und trotzdem zu 100 Prozent da. Das ist die Methode „Du hast keine Chance, nutze sie“.

Nicht gerade wertschätzend für das Fundraising.

Wenn uns eine Hochschule sagt, sie will eine 50 Prozent-Stelle ausschreiben, unterstützen wir die dabei nicht.

Welchen Zeitraum empfehlen Sie für eine Stelle?

Drei Jahre mindestens. Fünf Jahre finde ich fair und der Fundraiser hat eine wirklich realistische Chance.

Wie wichtig ist Diskretion im Headhunting?

Enorm wichtig. Ich nenne zum Beispiel über den Kreis des engen Bewerbergremiums hinaus nie Namen der Bewerber. Die Bewerber müssen sich sicher sein, dass sie sich wegbewerben können, ohne ihren Job zu riskieren. Unser Motto für ein Bewerberverfahren ist: kultiviert, fair und total diskret. Bei uns treffen sich keine Bewerber auf dem Flur und erfahren so voneinander. Meine Beziehung zu den Fundraisern darf niemals von Misstrauen geprägt sein.

Was müssten denn Arbeitgeber verbessern, um noch attraktiver zu werden?

Eine Befristung auf drei Jahre ist ein Vertrauenssignal. Gute Konditionen helfen, denn gute Leute sind gefragt. Und eine Hochschulleitung, die für das Thema brennt und Unterstützung signalisiert, ist wichtig.

Und was ist, wenn kein Geld für eine Stelle da ist?

Nun es gibt auch Hochschulen, die Geld haben, aber es nicht in Stellen investierten dürfen. Dafür aber in Berater. Wir bieten deshalb auch Berater an, die bei DHV Funds Consult angestellt sind, aber für die Hochschulen arbeiten.

 Auch eine Strategie, um zu festen Stellen zu kommen?

Ja durchaus, das ist sogar meist so geplant. Innerhalb von drei Jahren kann das Fundraising ja eine solche Stelle tragen. Klar ist aber auch, wenn eine Hochschule ins Fundraising investiert, geht sie ins Risiko. Deshalb ist es für alle gut, dass ein „Quick-Win“ kommt. Also ein schneller Erfolg im ersten Jahr, der auch der Hochschulleitung bestätigt, dass sie einen Erfolg versprechenden Weg eingeschlagen hat. Bedenkenträger hält man am besten durch Erfolg in Schach.

Welche Typen von Hochschulfundraisern gibt es denn heute?

Es gibt Hochschulen, die suchen nur Fundraiser für das Backoffice, also Strategieentwicklung, Datenbanken pflegen und Dossiers recherchieren. Andere Hochschulen sagen, der soll rausgehen, und den schicken wir auch zu Top-Interessenten. Da wird also das Erstgespräch bewusst nicht vom Präsidenten übernommen. Da sind die deutschen Hochschulen gespalten.

Da braucht man aber völlig verschiedene Bewerber für.

Ja. Ich empfehle den aktiveren Typ, denn der hilft der Universität mehr, weil er Menschen gewinnt und Interesse weckt. Das werden dann sehr gute Zweitgespräche zusammen mit dem Rektor, wenn beide Seiten Interesse aneinander haben und durch die Stellung des Rektors auch sofort eine Wertschätzung des Gastes sichtbar wird. Um das zu schaffen, brauchen sie auch keine Weltverbesserer, sondern Menschen die den Milieucode kennen und sich einfühlen können. Sonst werden sie keinen Erfolg haben.

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