Deutscher Spendenmarkt wächst auf Rekordergebnis

Steuerlich geltend gemachte Spenden haben erstmals die Schwelle von 6 Milliarden Euro überschritten, und damit den Vorjahreswert um 14,2 Prozent übertroffen. Woher kommt dieses starke Wachstum?

Von Michael Urselmann und Wolfram Schwabbacher

Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom September 2013 liefern für Fundraiser eine höchst erfreuliche Überraschung: Im Jahr 2009 wurden bei deutschen Finanzbehörden Spenden in Höhe von 6,14 Mrd. Euro nach §§ 10b und 34g EStG steuerlich geltend gemacht. Dies stellt ein Rekordergebnis dar, das den Vorjahreswert sogar um 14,2 Prozent übersteigt. Dass die Zahlen aus der Lohn- und Einkommensteuerstatistik dem Statistischen Bundesamt leider immer erst mit einer Verzögerung von vier Jahren zur Verfügung stehen, liegt übrigens an Verfahrensgründen bei der Steuererhebung (insbesondere zu berücksichtigender Fristen). Deshalb beziehen sich die neuesten Zahlen auf das Steuerjahr 2009. Mit 14,2 Prozent liegt das Wachstum der steuerlich geltend gemachten Spenden 2009 sogar noch deutlich über dem durchschnittlichen Wachstum von 5,5 Prozent im Zeitraum 2001 bis 2008 (Abbildung 1) und auch weit über dem Wachstum des Bruttosozialprodukts im selben Zeitraum. Wie lässt sich dieses starke Wachstum erklären?

Die Bemühungen des Großspenden-Fundraisings fruchten

Eine erste wichtige Erklärung liegt darin, dass immer mehr Wohlhabende immer größere Beträge spenden. Aus der Lohn- und Einkommensteuerstatistik ergibt sich, dass die kleine Gruppe der Steuerpflichtigen mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 100.000 Euro und mehr (dies sind 2008 die obersten 5 Prozent aller Steuerpflichtigen) ihre steuerlich geltend gemachten Spenden von 1,14 Mrd. Euro im Jahr 2001 auf 2,37 Mrd. Euro im Jahr 2008 mehr als verdoppelt haben (Abbildung 1). Damit steuerten 5 Prozent der Steuerpflichtigen im Jahr 2008 schon 44 Prozent der steuerlich geltend gemachten Spenden bei (Abbildung 2). Dies liegt nur zum Teil daran, dass die Anzahl der Wohlhabenden wächst: Die Anzahl der Steuerpflichtigen mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 100.000 Euro und mehr, die Spenden steuerlich geltend gemacht haben, ist von 598.651 im Jahr 2002 auf 924.747 im Jahr 2008 um mehr als die Hälfte (54,5 Prozent) gestiegen.

Die Gründe für das starke Wachstum der Spenden von Wohlhabenden liegen zum einen darin, dass in den letzten Jahren im Rahmen des sich professionalisierenden Großspender-Fundraisings systematischer um höhere Spenden gebeten wurde. Zum anderen hat ab 2007 auch die stärkere steuerliche Förderung im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements einen großen Beitrag beigesteuert. Fasst man in der Lohn- und Einkommensteuerstatistik die beiden Positionen „Spenden an Stiftungsneugründungen“ und „Vortrag für Spenden an Stiftungsneugründungen“ zusammen, so belaufen sich die steuerlich geltend gemachten Spenden im Jahr 2001 noch auf insgesamt 83 Mio. Euro. Im Jahr 2008 hat sich dieser Betrag auf 367 Mio. Euro mehr als vervierfacht.

Auch scheinen konjunkturelle Entwicklungen Einfluss auf das Spendenverhalten Wohlhabender zu nehmen. Der starke Rückgang der Spenden von 2008 auf 2009 in der Klasse der Steuerpflichtigen mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von über 100.000 Euro (Abbildung 1) ist in erster Linie auf einen Einbruch der Spenden in der Klasse der Steuerpflichtigen mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von über 500.000 Euro zurückzuführen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten erreichen deutlich weniger Menschen diese hohe Einkommensklasse. Diejenigen Steuerpflichtigen, die eine solch hohe Steuerklasse trotz der Krise erreichen, geben jedoch weiterhin eine etwa gleichbleibende Durchschnittsspende. Ab 2010 ist wieder mit einer Erholung dieses Teils der steuerlich geltend gemachten Spenden zu rechnen.

Immer mehr Spenden werden auch steuerlich geltend gemacht

Der Einbruch 2009 bei den Spenden Wohlhabender zeigt aber auch, dass das starke Wachstum der insgesamt steuerlich geltend gemachten Spenden nicht allein auf den wachsenden Beitrag der Wohlhabenden zurückzuführen sein kann. Eine weitere Erklärung des Wachstums liegt darin, dass der Anteil der Spenden, der steuerlich geltend gemacht wird, zunimmt. Erfahrungsgemäß sind Rentner eine der wichtigsten Spendergruppen. Viele Rentner haben – anders als Pensionäre – in der Vergangenheit keine Einkommensteuererklärung mehr abgegeben. Dies ändert sich mit dem seit 2005 geltenden Alterseinkünftegesetz, in dessen Folge die Anzahl der steuerpflichtigen Rentner kontinuierlich gestiegen ist. Wer staatliche Förderung für private Altersvorsorge in Anspruch nehmen möchte, muss auch eine Steuererklärung abgeben. Über diese Steuererklärungen werden dann auch Spenden steuerlich geltend gemacht, die sonst nicht geltend gemacht worden wären. Dies bedeutet, dass ein Teil des Wachstums der steuerlich geltend gemachten Spenden nicht auf eine gewachsene Großzügigkeit der Bundesbürger zurückzuführen ist, sondern einen gewachsenen Anteil an Deklarationen. Folglich sinkt umgekehrt der mangels Deklaration nicht erfasste Teil der steuerlich nicht geltend gemachten Spenden kontinuierlich. Schätzungen gehen davon aus, dass sich der Anteil der Rentner, der eine Einkommensteuererklärung einreicht, in nächster Zeit kontinuierlich zunehmen wird. Ab 2040 unterliegen die Zahlungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen vollständig der Einkommensteuer. Damit dürfte künftig ein wesentlicher Anteil der bislang nicht steuerlich geltend gemachten Spenden erfasst werden können. Nach wie vor nicht erfassbar bzw. einem Spender zuzuordnen wären dann nur noch die vielen kleineren Barspenden im Rahmen von Haus- und Straßensammlungen ebenso wie Beiträge zu kirchlichen Kollekten. Zum anderen werden auch Spenden an solche Empfänger nicht erfasst, die selbst gar nicht direkt steuerbegünstigt sind – wie dies beispielsweise bei Bettlern in der Fußgängerzone der Fall ist.

Systematischer Ausbau des Großspender-Fundraisings erforderlich

Laut „Deutschem Spendenmonitor“, erhoben vom Marktforschungsinstitut TNS Infratest, sank der Anteil der Bevölkerung, der spendet („Spenderquote“) von 40 Prozent im Jahr 2007 auf 35 Prozent im Jahr 2011. Bringt man diesen Trend mit den Zahlen der Lohn- und Einkommensteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes zusammen, wonach immer mehr Wohlhabende immer größere Beträge spenden, kommt man zu der Einschätzung, dass eine sinkende Anzahl von Spendern für ein wachsendes Gesamtspendenvolumen in Deutschland verantwortlich ist. Gemeinnützigen Organisationen ist zu empfehlen, auf diese Entwicklungen mit einem konsequenteren Ausbau ihrer Aktivitäten im Rahmen des Großspender-Fundraisings zu reagieren, und damit (ein weiteres Mal) eine Entwicklung nachzuvollziehen, die in den USA längst in vollem Gange ist.

Über die Autoren

Dr. Michael Urselmann ist Professor für Sozialmanagement an der Fachhochschule Köln und freiberuflicher Fundraising-Berater. Dipl.-Volkswirt Wolfram Schwabbacher arbeitet als Referent im Bereich Lohn- und Einkommensteuer des Statistischen Bundesamtes.

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