"Dass Innovation nun vermehrt von der Basis kommt, ist ein guter Indikator"

Sandra Wirth IFC 2014

Mehr als 60 Referenten aus 18 Ländern teilen ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit den Teilnehmern des International Fundraising Congress 2014, vom 14. bis 17. Oktober in Holland. Sandra Wirth, "Director of Communications and Fundraising", bei dem Hilfwerk "Terre des Hommes - Kinderhilfe weltweit" aus der Schweiz ist eine von ihnen.  Im vergangenen Jahr konnte die Organisation rund 68 Millionen Schweizer Franken (55 Millionen Euro), für den Schutz von Kindern, die Gesundheit von Mutter und Kind sowie für die Nothilfe einsetzen. Wirth erklärt im Interview mit unserem Autor Paul Stadelhofer wie sie eine neue Strategie für ihre Organisation entwickelt hat und wie diese Strategie tatsächlich umgesetzt wurde. Beim International Fundraising Congress 2014 hilft sie gemeinsam mit Bernard Ross vom Management Centre (=mc) aus Groß Britannien auch den Teilnehmern ihres Workshops bei der Strategiebildung. Das Fundraiser Magazin begleitet den Event als Medienpartner.

Mit welchem Ziel haben Sie eine neue Strategie für Terre des hommes – Kinderhilfe (Tdh) in der Schweiz entwickelt?
Im Januar 2011 habe ich bei Terre des hommes meinen jetzigen Posten angetreten. Das erste Jahr habe ich mich darauf konzentriert, die Organisation zu verstehen und von meinen Kollegen zu lernen. Relativ schnell habe ich auch eine neue Struktur in die Abteilung eingeführt, die sich bis heute bewährt hat. Im 2012 war dann die Zeit reif, gemeinsam mit dem Team, eine neue Abteilungsstrategie zu entwickeln.
Das oberste Ziel war, dass wir festlegen, welche Ergebnisse wir in den nächsten drei Jahren erreichen wollten, wie wir dies tun wollten und wie wir Erfolg oder Misserfolg messen würden. Die Erstellung einer Balanced Scorecard, und der damit verbundene Prozess, entsprach diesbezüglich unseren Anforderungen. Das =mc war meines Wissens die einzige Organisation, die uns dabei helfen konnte.
Sowohl Bernard Ross, Direktor und Gründer von  =mc, als auch Paula Guillet de Monthoux, heute Managing Director von SOS Kinderdörfer Dänemark, hatte ich am IFC im 2011 kennengelernt und nahm bald mit ihnen Kontakt auf.

In welchen Punkten haben Sie das Fundraising von Tdh neu ausgerichtet?
Für die Abteilung Fundraising und Kommunikation wurden sowohl die Schwerpunkte neu definiert als auch die Arbeitsweise verändert.
Im Fundraising sollte ein Kernprodukt für Privatspender ausgearbeitet werden. Diese neue breitangelegte Patenschaft wurde Ende 2013 unter dem Titel „Werden Sie Schicksalswender“ lanciert und ist seither sehr erfolgreich. Zudem sollte der Spender, oder jede sich für Tdh einsetzende Person oder Organisation, vermehrt im Mittelpunkt der Abteilung stehen. Seitdem wurden nicht nur der Bedankungsvorgang überarbeitet sondern auch der persönliche Kontakt zu Spendern vertieft. Dies hat dazu geführt, dass im 2013 Tdh stärker mit den bestehenden Spendern als mit Spendergewinnung wachsen konnte.
Der Bereich Kommunikation hat das Fundraising dadurch unterstützt, dass die Organisation durch einen frischen Auftritt neu positioniert wurde. Die Schweizer Agentur Spinas Civil Voices hat uns dabei tatkräftigt unterstützt. Zudem haben wir entschieden, die Bekämpfung von Kinderausbeutung als Kampagnenthema zu wählen, einerseits um uns von anderen Organisationen zu unterscheiden, aber auch um die Positionieren von Tdh als Kinderhilfswerk zu verstärken. Tdh ist in vielen Bereichen des Kinderschutzes, wie Kinderausbeutung, Kindermigration, Kinderschutzsysteme und Jugendgerichtbarkeit, für die Gesundheit von Mutter und Kind, betreffen Mangelernährung, Schwangerschafts- und Geburtsbegleitung und Spezialbehandlungen in der Schweiz, sowie in der Nothilfe tätig. Jedoch, da der Begriff „Kind“ nicht im Namen der Organisation enthalten ist, ist für uns eine klare Positionierung unerlässlich.

Wie haben Sie sich im Umgang mit Ihren Stakeholdern mit welchen Ressourcen umorientiert? Was muss Tdh  lernen, um die neue Strategie anzuwenden? Welche Ressourcen mussten bereit gestellt werden?
Zuerst wurden eine Abteilungsvision, sowie zwei bis drei Oberziele festgelegt. Wir haben uns für zwei quantitative, finanzielle Ziele, sowie ein qualitatives Ziel entschieden.
Um die obenerwähnten Oberziele umzusetzen, haben wir unsere Balanced Scorecard rund um elf Ziele aufgebaut. Gemäss der von =mc speziell für NGOs entwickelten Methodologie wurden diese auf vier Ebenen verteilt: Entwicklung von neuen Beziehungen zu unseren Supportern, Ausbau der nötigen Kompetenzen, Lernen und Entwickeln, und schliesslich Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen.
Auf der ersten Ebenen hatten wir beschlossen, neue Angebote für unsere Supporter einzuführen, die Beziehungen zu Letzteren zu verstärken und das Vertrauen zur Organisation durch das Aufzeigen der Wirkung der Hilfe auszubauen. Dafür musste die Organisation neue Kompetenzen insbesondere in folgenden Bereichen entwickeln: Innovation, Übermittelung von attraktiven Informationen aus dem Feld, Ablaufoptimierung und Einbindung der gesamten Organisation als Sprecher und Fundraiser. Auf der dritten Ebenen, musste dazu das Team verschiedene Hard- und Softskills ausbauen sowie seine resultat- und serviceorientierte Einstellung stärken. Schliesslich benötigte die Abteilung dafür, neue Ressourcen im Bereich IT für Spenderpflege und Projektmanagement, sowie die entsprechenden Personal- und Finanzressourcen.

Wie implementieren Sie diese neue Strategie?
Jedes festgelegte Ziel wird anhand einer oder zwei Initiativen umgesetzt. Jede dieser Initiativen wird wiederum wie ein Projekt von je einem Projektleiter geführt. Damit die Gesamtstrategie über den geplanten Zeitraum auch umgesetzt wird, ist es unerlässlich, dass ein Mitarbeiter für die Koordination der Strategieumsetzung zuständig ist. Zugeben muss ich hier doch, dass das formelle Projekt Management der eigentlichen Umsetzung manchmal hinterher hinkt, aber das ist ja besser als umgekehrt!

Anhand welcher Indikatoren messen Sie den Erfolg Ihrer neuen Fundraising-Strategie?
Für jedes Ziel wurden zweierlei Indikatoren definiert: einerseits vorlaufende Indikatoren, die anzeigen, ob man auf den richtigen Weg ist, andererseits Spätindikatoren, die aufzeigen, ob das gewünschte Ziel erreicht wurde.

Inwiefern hat Ihnen das Erstellen einer Balanced Scorecard bei Ihrer Neuausrichtung geholfen?
Nicht nur die Balanced Scorecard sondern auch der partizipative Prozess waren massgebend. Zusammen mit Bernard Ross und Paula Guillet de Monthoux haben wir die Strategie in fünf Monaten entwickelt. Einbezogen wurden dabei Spender, Mitarbeiter am Hauptsitz und im Feld, Stiftungsratsmitglieder, Freiwillige, die Geschäftsleitung und vor allem das gesamte Kommunikations- und Fundraisingteam.
Was sich verändert hat, ist, dass nun die Abteilungsziele für das Team und das Management klar sind. Den früher oft geäusserten Satz „man weiss nicht, wo es überhaupt hin soll“ habe ich seither nicht mehr gehört. Auch sind wir nun in der Lage zahlreichere Projekte umzusetzen, da keine Zeit mehr für die Festlegung der Gesamtziele eingeplant werden muss. Dies wirkt sich auch positiv auf die Motivation des Teams aus. Die Tatsache, dass Innovation nun vermehrt „von der Basis“ kommt, ist ein guter Indikator dafür, sowie die gesteigerten Netto-Einnahmen.

Sandra Wirth beim International Fundraising Congress 2014
Sandra Wirth ist beim International Fundraising Congress 2014 eine von 65 Speakern aus 18 Ländern. Gemeinsam mit Bernhard Ross vom =mc berichtet sie in ihrem Workshop von den Erfahrungen mit der neuen Strategie bei TdH. Die Teilnehmer erlernen dabei das Vorgehen bei der Entwicklung einer neuen Strategie: Aufgrund einer Marktanalyse und einer Befragung einer breiten Palette interner und externer Stakeholder wird zuerst der strategische Kontext erarbeitet. Die organisationsinternen Elemente werden dann anhand einer SWOT- Analyse, die externen werden anhand einer PEST-Analyse strukturiert. Diese beiden Analysen werden in einer zweiten Phase in Workshops, an denen die gesamte Abteilung und andere wichtige interne Stakeholder teilnehmen, überarbeitet und ergänzt. In einem nächsten Schritt werden dann zwischen 6 und 9  Treiber herauskristallisiert. Dies ist der kritische Moment, jener in welchem entschieden wird, welche Herausforderung angegangen werden müssen. Schliesslich wird in Workshops die Vision, die Oberziele, die Unterziele, die entsprechenden vorlaufenden und Spätindikatoren und die Initiativen erarbeitet. Welche Seminare und Informationen der International Fundraising Congress noch zu bieten hat, finden Sie auf dessen Internetseite.

 

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