„Wir arbeiten daran, uns einfach deutlich breiter aufzustellen.“

Michael Beier Geschäftsführender Vorstand bei der Heinz Sielmann Stiftung

Seit einem Jahr ist Michael Beier Geschäftsführender Vorstand bei der Heinz Sielmann Stiftung. An der Organisation, die faszinierende Naturlandschaften erhält, reizte ihn besonders, das in 20 Jahren Stiftungsarbeit Bewährte zu bewahren und trotzdem neue Wege zu gehen. Deshalb strebt er eine weitreichendere bundesweite Vernetzung, die Ansprache kommender Generationen und eine langfristige finanzielle Sicherheit an. Gerrit Prinssen sprach darüber mit ihm für den ngo-dialog und das Fundraiser-Magazin.


Herr Beier, können Sie kurz schildern, wie Sie Ihren Einstieg bei der Heinz Sielmann Stiftung empfunden haben?

Zum Glück besaß ich vom ersten Tag meiner Arbeit an das Vertrauen der Stifterin Inge Sielmann. Auch der vorherige Vorstand, Michael Spielmann, unterstützte mich sehr, so dass ein weicher, fließender Übergang möglich war. Und doch ging es natürlich gleich richtig los: Eine meiner ersten Amtshandlungen war am 12.09.2012 die Unterschrift zu Sielmanns neuester Naturlandschaft Kyritz-Ruppiner Heide, dem ehemaligen „Bombodrom Wittstock“ in Brandenburg. 4.000 Hektar des Gebietes, davon 2.000 Hektar Heidefläche, gehören seitdem zum Nationalen Naturerbe und werden komplett dem Naturschutz gewidmet. Die Flächen bleiben allerdings Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA), eine Entscheidung, die vor allem auf der Tatsache von Munitionsaltlasten beruht, deren Beseitigung personell und finanziell sehr aufwändig ist.

Auch als ich die Schönheit, die Dimensionen und die Artenvielfalt der anderen drei Sielmanns Naturlandschaften Döberitzer Heide, Wanninchen, Groß Schauen sowie der Biotopverbunde Bodensee und Grünes Band Harz-Eichsfeld Werratal in ihrem ganzen Ausmaß realisierte, war ich schlichtweg überwältigt. Den Menschen, vor allem auch kommenden Generationen, die Schönheit der Natur als Naturerlebnis nahezubringen, wird eine der Kernaufgaben für die Zukunft der Stiftung bleiben.


Können Sie uns Auskunft darüber geben, wie die Heinz Sielmann Stiftung sich in Zukunft strategisch orientieren wird?

Die Zukunftsfähigkeit wird eine der größten Herausforderungen für die Heinz Sielmann Stiftung sein. Die Heinz Sielmann Stiftung lebt vom Mythos ihres Namensgebers. Unsere Spender sind mit der Fernsehserie „Expeditionen ins Tierreich“ groß geworden. Sie verbinden mit dem Namen Heinz Sielmann schöne Kindheitserinnerungen, wunderbare Momente im Kreis der Familie. Prof. Heinz Sielmann hat unerreichbare Regionen in die Wohnzimmer geholt und ganze Generationen für bedrohte Tierarten sensibilisiert. Doch schon bei den heute unter 40-jährigen ist der Name Heinz Sielmann nicht mehr allgegenwärtig. Das Erbe verblasst. Dem müssen wir uns heute stellen, indem wir den Spender von morgen anders ansprechen und neue Zielgruppen erreichen. Wir sind dabei, unsere Online-Ansprache und das Online-Fundraising zu professionalisieren und darüber hinaus das Wirken der Heinz Sielmann Stiftung interaktiver und erlebnisreicher zu positionieren und zu präsentieren. Die Worte von Prof. Heinz Sielmann „Nichts hinterlässt einen tieferen Eindruck als das persönliche Erleben in freier Natur“ weisen uns den Weg, um in allen Sielmanns Naturlandschaften und in der Stiftungszentrale auf Gut Herbigshagen bei Duderstadt sowie für sämtliche Umweltbildungsmaßnahmen das Erleben noch direkter, noch haptischer zu gestalten. Das erreichen wir gegenwärtig in Zusammenarbeit mit Architekten, Landschaftsarchitekten, Kommunikationswissenschaftlern über öffentliche Wettbewerbe. So werden Besucher auf Gut Herbigshagen demnächst z.B. das Damwildgehege unmittelbar begehen können, die Remise dort wird zum Natur-Erlebniszentrum für das Naturschutzgroßprojekt im Eichsfeld und schafft Aufmerksamkeit für 340 bedrohte Tier- und Pflanzenarten entlang des Grünen Bandes. In Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide wird das „Erleben in der Wildnis“ mit noch mehr Großtieren verstärkt werden oder in Wanninchen wird es zur Kranichzeit im September/Oktober ein verstärktes ornithologisches Angebot geben mit Fotocamps und Filmsafaris. Unsere Umweltbildung wird auf verschiedene Art und Weise in den Landschaften bundesweit Einzug halten.


Initiieren Sie denn bereits weitere Projekte, um die Heinz Sielmann Stiftung in verschiedenen Bereichen zu positionieren?

Ein weiterer wichtiger Schritt für die Zukunftsfähigkeit der Heinz Sielmann Stiftung ist, den nachhaltigen Naturschutz als gesellschaftliche Aufgabe mehr in den Köpfen von Unternehmern und Privatpersonen zu verankern. Wir möchten noch mehr Menschen davon überzeugen, dass der Erhalt der Natur Grundlage allen Lebens ist und dass es sich lohnt, die Arbeit der Heinz Sielmann Stiftung ehrenamtlich oder finanziell zu unterstützen. Hier müssen wir vorandenken. Wir haben beispielsweise die Projekte „Vom Büro in die Natur“  oder die „Ökologisierung von Firmengeländen“ ins Leben gerufen. Hiermit erreichen wir mehr Unternehmer, die im Rahmen ihrer Corporate Social Responsibility (CSR) gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort aktiv werden möchten. Eine gemeinsame Bepflanzung oder ein gemeinsamer Ausflug in eine von Sielmanns Naturlandschaften kann ein sehr prägendes und auf jeden Fall sehr erlebnisreiches und informatives Erlebnis sein. Aus diesen Kontakten zu den Unternehmern werden sich weitere Synergieeffekte ergeben. So will beispielsweise Panasonic Deutschland unser Angebot „Vom Büro in die Natur“ nutzen, anschließend ein CSR-Projekt gestalten und mit einem finanziellen Beitrag daraus  mehreren Schulklassen eine Woche Umweltbildung auf unserem Schulbauernhof in Duderstadt ermöglichen. Weiterhin unterstützt uns Panasonic bei den Naturfilmfestivals in Eckernförde, auf dem Darß, in Ludwigsburg und Potsdam. Wir verbinden unser Engagement bei der Förderung des Nachwuchses im Naturfilm mit dem Kids-Programm von Panasonic, und es ergibt sich so eine Win-Win-Situation für beide Partner in dem langfristigen CSR-Projekt.


Halten Sie es für realistisch, die Heinz Sielmann Stiftung bundesweit als Kompetenzpartner für den Naturschutz zu etablieren?

Ich denke, die Heinz Sielmann Stiftung kann ihr umfangreiches Know-how noch mehr nutzen, um innovative Projekte neu anzugehen, wie beispielsweise bei der naturschutzfachlichen Beratung in dem 60 Kilometer langen Pilotprojekt „Biotopverbindendes Trassenmanagement“, wo wir, gefördert vom Bundesamt für Naturschutz, das Management eines kleinen Teils der neuen Energietrassen unter dem Aspekt einer naturschutzfachlichen Aufwertung übernehmen werden. Ein Pilotprojekt, welches als Schnittbogen und Blaupause für den Trassenneubau von hunderten Kilometern dienen soll.
Wir arbeiten daran, uns einfach deutlich breiter aufzustellen, um anderen das Thema Bewahrung der biologischen Vielfalt nahezubringen – sowohl in Unternehmen als auch in öffentlichen Einrichtungen und Gemeinden.

Außerdem sehe ich ein deutlich verbindendes Element von Heimat und lokalem Engagement. Für Unternehmen, Stiftungen, Gemeinden und für den privaten Spender ist es sehr befriedigend, unmittelbar im eigenen Umfeld Nachhaltiges für die Natur zu schaffen, was man selbst erleben kann. Das beste Beispiel ist unser Projekt „Jeder Gemeinde ihr Biotop“ am Biotopverbund Bodensee, das seit zehn Jahren erfolgreich läuft. Da es aber illusorisch ist, bundesweit fast 16.000 Gemeinden und 265 Landkreise für das Projekt zu motivieren, setzen wir auf den wettbewerblichen Dialog. Kommunen und Landkreise können sich bewerben, um freiwillig und mit einem eigenen Beitrag mitzumachen. Preise werden die Ersteinrichtung von Biotopen aus Spendengeldern der Heinz Sielmann Stiftung sein. Schön ist, dass die Beteiligten vor Ort schon nach kurzer Zeit sehen, wie sich die biologische Vielfalt in „ihrem“ kleinen Projektstück bereichernd entwickelt. So wird mittelfristig ein bundesweites Projekt der Heinz Sielmann Stiftung entstehen, welches ganz im Sinne der Biodiversität Akzente setzt.


Wie regeln Sie die umfangreichen neuen Aufgaben intern?

Die umfassenden Aktivitäten, gerade im Bereich strategischer Neuausrichtungen und der breiteren Vernetzung, bringen auch intern einige Veränderungen mit sich. Wichtig ist mir, dass wieder ein größeres „Wir-Gefühl“ entsteht und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Zwecken der Heinz Sielmann Stiftung gestärkt werden. Dies erreichen wir durch eine breit aufgestellte Diskussionskultur innerhalb der Stiftung, durch unbedingte Transparenz und klare Handlungsleitfäden. Entscheidend ist auch die Stärkung der Eigenverantwortung der jeweiligen Projektleitung vor Ort, so dass die naturschutzfachlichen Aufgaben kompetent erfüllt werden. Durch eine eigene Personalstelle wollen wir auch die Aktivitäten der Sielmanns Natur Ranger – übrigens die einzige eigene Jugendorganisation einer privaten Naturschutzstiftung in Deutschland – innerhalb der Heinz Sielmann Stiftung besser verzahnen und ihnen eine bewusstere Heimat in der Stiftung geben.

Auch das Monitoring vor Ort werden wir verbessern, um uns im Fördermarkt breiter aufzustellen und weitere Partnerschaften mit anderen Stiftungen, Vereinen, Organisationen, Kommunen, Ländern, dem Bund und der EU einzugehen. Ein Beispiel möchte ich auch hier nennen –  dabei kommt uns meine frühere Tätigkeit im Stiftungsmanagement der Stiftung Universität Hildesheim sehr zugute: Und zwar die Zusammenarbeit mit Stipendiaten des Deutschlandstipendium. Für mich ist das eine hervorragende Möglichkeit, um leistungsstarke Studierende kennenzulernen und  zu fördern – und wir haben zurzeit bereits eine Studentin, die ihre Masterarbeit in Wanninchen schreibt, die uns von großem Nutzen sein wird. Acht Stipendien vergibt die Heinz Sielmann Stiftung dieses Jahr  für die Bereiche Naturschutz, Umweltentwicklung, Waldökologie, Geografie sowie Biodiversität und Gesellschaft an den Universitäten Hildesheim, Potsdam, Göttingen und der FH Eberswalde.
Eine Know-how-Erweiterung wird es im Herbst auch innerhalb des Beirats der Heinz Sielmann Stiftung geben, wenn Prof. Hans Georg Näder und Dr. Ing. Fritz Brickwedde in den Stiftungsrat aufgenommen werden.


Sehen Sie die Arbeit der Heinz Sielmann Stiftung in den nächsten Jahren als finanziell gesichert an?

Das ist eine Herausforderung, über die zurzeit im Stiftungswesen viel diskutiert wird. Aufgrund der niedrigen Zinslage, die unterhalb der Inflationsrate liegt, werden die Erträge aus dem Stiftungskapital geringer ausfallen und somit Gelder für Projekte weniger. Langfristig vernichtet man Stiftungskapital, wenn man im Vermögensmanagement nicht aktiv wird. Ich habe in der Heinz Sielmann Stiftung mit Hilfe eines Anlagebeirats eine Anlagerichtlinie eingeführt, die auf Basis eines klar definierten Risikomanagements eine globale Diversifikation ermöglicht.
So kann ich als – ja immerhin persönlich haftender – Vorstand renditeträchtig wirtschaften. Zusammen mit 13 weiteren Naturschutz-Stiftungen in Niedersachsen haben wir beispielsweise auch einen eigenen Stiftungsfonds gegründet und sind so – in Sachen Kapital, aber auch im Hinblick auf gemeinsame Förderanträge – wieder ein Stück besser aufgestellt. Ich bin sehr gespannt auf die mittel- und langfristigen Entwicklungen.


Danke für das Gespräch!

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