Nachwuchs-Ablass-Händler Fabian f. Fröhlich liebt Innovationen

Als Reporter bekommt man manchmal seltsame Einladungen. Sei es der vielzitierte Kleintierzüchterverein, der die Presse zur feuchtfröhlichen Jahreshauptversammlung einlädt, oder die feierliche Festveranstaltung zum Verbandsjubiläum mit zweistündigem Redemarathon. Nett ist es, wenn der Pressesprecher schreibt: „Wir würden uns freuen, Sie gleich zu Beginn der Veranstaltung ab 9.30 Uhr oder auch nur zur Podiumsdiskussion ab ca. 11 Uhr mit anschließendem Imbiss begrüßen zu können.“ Ich entscheide mich spontan für PoDi mit Häppchen.

Das alles macht den Journalistenberuf wertvoll – es gibt aber Tage, da möchte ich meinen Job mit niemandem tauschen! Das sind die Momente, an denen ich zu wirklich weltbewegenden Themen vor Ort recherchieren darf:

„Was ist eigentlich der Wert von einem Insekt?“, lese ich in der Presse-Einladung und bin gleich ganz hippelig vor Neugier. Zwei Euro hab ich heute früh dem Typen an der Ampel in die Hand gedrückt, der mir die toten Fliegen von der Frontscheibe geputzt hat. Sind zwei Euro angemessen? „Insekten sind der Anfang vieler Nahrungsketten, aber oft gibt es Situationen, in denen wir die kleinen Tiere bekämpfen“, lese ich weiter und wische mir eine heimliche Träne aus dem Augenwinkel. Und nun wird es richtig spannend: „Die weltweit ersten Insektenbekämpfungsmittel mit ökologischem Ausgleich liefert der mittelständische Unternehmer Doktor So-und-so übermorgen im Kleinstadt-Fair-Markt aus.“ Dort erhält man auch exklusiv die patentierte Fliegen-Klatsche mit dem Respekt-Gütesiegel. Für den adäquaten Rahmen sorgen eine Filmvorführung über Fair-Trade-Mottenkugeln, eine Buchlesung zur Funktionsweise von systemischen Ameisenködern nebst Tombola sowie „ein kleiner außergewöhnlicher Vormittagsimbiss, der ohne die Bestäubungsleistung der Sechsbeiner nicht möglich wäre.“ Hoffentlich kein Mett-Igel, auf dem sich die kleinen Sechsbeiner munter fortpflanzen.

Tatsächlich: Der Fabrikant von Mücken-Spray, Wespen-Schaum und Motten-Strip lädt also vollen Ernstes „zur Markteinführung und Vorstellung des ersten Biozides der Welt mit ökologischem Ausgleich“. Der Ausgleich besteht – wer hätte das gedacht – im Anlegen von Blühflächen, beispielsweise auf dem Werkshallendach. Bähm! Was für eine Innovation! Da können sich TTIP-Leaks und Co. noch so coole Aktionen einfallen lassen – gegen das selbst erfundene Respektgütesiegel mit Nachhaltigkeitsgarantie (100 Prozent, denn eine tote Fliege wacht niemals wieder auf) kommt so schnell keiner an. Das tapfere Schneiderlein (sieben auf einen Streich) sowie die Herren Herricht und Preil (Mückentötolin) waren dagegen einfach nur Mörder! Und genau das ist doch der Unterschied, der die Welt ein großes Stück besser macht. „Respect Insect!“ rufe ich aus vollem Herzen, greife zur zusammengerollten Bild-Zeitung und erledige mit grünem Gewissen den nervigen fetten Brummer auf der Schreibtischkante.

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