Nachwuchs-Eremit Fabian F. Fröhlich erneuert sich
Neulich beim Aufräumen hab ich alte Fotos und Briefe wiedergefunden von meinen Verflossenen. Oh Mann, das waren Zeiten: Da war ich jung und voller Testosteron und habe tatsächlich Gedichte geschrieben für die Frauen meiner Begierde – oder zumindest abgeschrieben. Sowas macht heut keiner mehr! Das mit dem Dichten meine ich. Je nach Frauentyp wählte ich Rilke oder Kästner, vorzugsweise so Sachen wie: „Einsam ist man sehr alleine, und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit“. Pah! Das hätten sich Rainer-Maria und Erich nie träumen lassen, dass man heute seine Einsamkeit mit tausend Freunden teilen kann. Facebook-Seiten wie „Jede Enttäuschung öffnet die Augen und verschließt das Herz“ sprechen für sich. Ob das mit dem Dichten funktioniert hat bei den Frauen? Diese Frage muss ich hier in aller Öffentlichkeit nicht beantworten – da verweise ich auf das Recht zum Schutz meiner Privatsphäre! Frag sie selber, sind alles Facebook-Freundinnen von mir. Das Gute im Sozialen Netz ist ja, dass du alle deine Freundinnen auflisten kannst, ohne dass es peinlich wird. Nicht nur in Bezug auf Frauen. Wenn ich mal checke, mit wem die Freunde meiner Freunde befreundet sind: Da hätten wir den ehemaligen Türsteher, der gerade für die NPD in Meck-Pomm kandidiert, eine Horoskop-Autorin, einen einschlägig bekannten U-Bahn-Schläger und ein Alien, das als Schläfer auf seinen Einsatz beim nächsten Weltuntergang wartet. Nichts gegen Horoskope, aber live würde ich diese Kreise eher meiden.
Bei Omi in der Küche hing immer so ein Spruch: „Sage mir mit wem du umgehst, und ich sage dir wer du bist.“ Mensch Omi, wenn du das noch erlebt hättest!Aber Omis Facebook-Freunde wären garantiert nicht weniger krass: Frau Lunkenbein, eine Redenschreiberin fürs städtische Krematorium und Liesel, die in ihrer Badewanne Hanf für den Eigenbedarf anbaute, zählten zu ihrem Kaffeekränzchen. Die Postings hätte ich gern geteilt.
Mir wird das jedenfalls langsam zu heiß mit dem, was meine Freundschaften über mich aussagen. Mein Chef hat mich schon angezählt, wieso ich als Journalist mit einer Verbandschefin und einer Pressesprecherin befreundet und auf den Fotos einer Lobbyistin markiert sei – das gefährde die publizistische Unabhängigkeit. Muss der grad sagen, der klickt den Daumen hoch beim Stadtrat und der Chefsekretärin des Finanzamts. Außerdem darf der das gar nicht wissen!
Bis die Piratenpartei in den Bundestag einzieht und echten Datenschutz im Grundgesetz verankert, kann es noch ein bissel dauern. Deshalb gehe ich jetzt ins Kloster und übe mich in Einsamkeit und Schweigen! Schluss, Aus, Ende mit dem ganzen Rumgeposte, Ge-like und Geteile! Ich lösche jetzt unwiederbringlich mein Profil …
… um noch mal ein neues anzulegen, wo ich mich völlig erneuert präsentiere und meine Freunde besser aussuchen werde. Das ist der größte Vorteil von Social Media gegenüber dem wahren Leben.