Vom Spender zum Retter
Viele Hilfsorganisationen stehen vor der Herausforderung, ihre Spenderbasis zu verjüngen. Allerdings unterscheiden sich junge Zielgruppen fundamental von den bekannten älteren Gruppen. Fünf Regeln für die Erschließung einer neuen Spenderzielgruppe.
Von Elisabeth Unverricht
Zeit und Motivation für praktisches Handeln sind eher vorhanden als die Bereitschaft, Geld zu spenden. Junge Menschen haben auch andere Bedürfnisse: nach Partizipation, nach Nähe zur Organisation und nach transparenten Einblicken in deren Projekte und Arbeit.
Hilfsorganisationen müssen daher neue Wege gehen, wenn sie junge Menschen erreichen und überzeugen möchten. Sie müssen Angebote machen, damit Menschen unmittelbar Hilfe leisten können und Ergebnisse dieses Engagements schnell für sich und andere sichtbar werden. Sei es das Stapeln von Sandsäcken oder der gemeinsame Kauf eines Brunnens im Internet. In der Praxis finden sich Beispiele, dass Aufrufe, Pullover für Pinguine zu stricken überraschend große Resonanz finden, während es für abstrakte aber nicht weniger wichtige Themen (Klimaschutz, Gesundheitsvorsorge) weitaus schwieriger ist, Gelder zu akquirieren.
Passende Angebote für die Zielgruppe der Retter-Spender
Um diese Bedürfnisse zu stillen, hat die digitale Kultur des Internets einige Antworten gefunden. Spendergalerien, erzählerische Formate mit Videos, Testimonials oder Infografiken bieten einfache Wege, um Anerkennung für Engagement und Wirksamkeit von Spenden anschaulich zu vermitteln. In Crowdfunding-Kampagnen können Unterstützer sich auf Plattformen wie Kickstarter, Startnext oder Betterplace direkt mit Geld oder Engagement für hochspezifische Anlässe einbringen, den Spendenstand beobachten und erhalten dafür sogar konkrete Dankesgeschenke im Austausch.
Von einer Win-Win-Situation sind Crowdfunding-Kampagnen für Hilfsorganisationen aber noch weit entfernt. Denn um wirklich effizient helfen zu können, sind sie auf die nicht zweckgebundenen Geldspenden angewiesen und müssen diese Gelder auch selbst an die Projekte und Länder verteilen können, in denen sie gerade besonders gebraucht werden. Zudem sind Crowdfunding-Kampagnen aufwendig in der Einrichtung und Betreuung, sodass die darüber generierten Spenden häufig kaum die Kosten decken.
Was sollten Hilfsorganisationen also tun? Es gibt Möglichkeiten, den Retter-Spendern die richtigen Engagement-Angebote zu machen, ohne die eigene Wirtschaftlichkeit zu gefährden.
Aperto hat aus zahlreichen Kampagnen für SOS-Kinderdorf, WWF Deutschland, Die Johanniter und die Deutsche Aidshilfe fünf Regeln für die Erschließung einer jungen Spender-Zielgruppe abgeleitet:
- Erst den Boden bereiten, dann säen. Organisationen können bereits frühzeitig eine dauerhafte Bindung zu potenziellen Spendern aufbauen. Dafür müssen attraktive Inhalte und Angebote für jüngere Zielgruppen geschaffen und auch Botschaften in Inhalt und Tonalität anders aufbereitet werden. Ein gutes Beispiel dafür ist das spielerische Fundraising-Tool „Unicef Unplugged“ der Unicef-Kampagne „Wasser wirkt“.
- Nicht alles auf eine Karte setzen: Kluge Fundraiser definieren ein „Experimentier-Budget“ für die Ansprache der neuen Retter-Spender mit Hilfe neuer kreativer Methoden und lernen daraus.
- Das Wort „Produkt“ in Spenden-Produkt ernst nehmen – Spender sind nicht nur Altruisten: Fundraiser sollten ihre Spenden-Produkte auch als Produkte begreifen, die für Spender konkrete Mehrwerte bereithalten. Ob Spiel, Spaß, Mitbestimmung oder Anerkennung – mit konkreten und emotional wirksamen Vorteilen werden auch komplexe Sachverhalte anschaulich und persönlich vermittelbar.
- Nicht nur Geld zählen, sondern auch Engagement: Die Facebook-Freunde und Petitionen-Unterzeichner von heute sind die Spender von morgen und übermorgen. Für die Planung und Rechtfertigung solch langfristiger Investitionen brauchen Fundraiser allerdings die richtigen Erfolgskennzahlen. Anstatt der generierten Spende ist das erste Ziel vielleicht ein Newsletter-Abonnement oder ein digitales „Mikro-Engagement“, wozu zum Beispiel der WWF häufig in seiner Präsenz auf Facebook einlädt.
- Soziale Verbreitung in die Kampagnen integrieren: Virale Mechaniken können persönliche Gespräche und damit effektive Spendenanstöße anregen. Wo immer möglich, sollten daher Kampagnen auf Teilbarkeit und Meinungsbildung in sozialen Medien setzen und eine Verbreitung von Freund zu Freund, von Spender zu Spender wahrscheinlich machen.
Elisabeth Unverricht verknüpft ihre Erfahrungen aus der Betreuung großer Marken, wie z. B. Coca-Cola, Nestlé und Volkswagen, mit Expertise für die besonderen Herausforderungen von Fundraising-Organisationen. Als Digital-Strategin verantwortet sie für die Aperto AG die strategische Herangehensweise in Projekten für Organisationen wie SOS-Kinderdorf, WWF Deutschland, Die Johanniter oder die Deutsche Aidshilfe.