WIR ERBEN. Was Geld mit Menschen macht
Rund 250 Milliarden Euro werden in Deutschland Jahr für Jahr vererbt, und so wird in den nächsten Jahren ein ungeahnter Vermögenszuwachs bei Kindern und Enkeln der Nachkriegsgeneration zu verzeichnen sein. Das geht an unserer Gesellschaft nicht spurlos vorbei, wie Julia Friedrichs zeigt. Sie besucht und interviewt Menschen „wie du und ich“, sie trifft mittelständische Unternehmenserben und hat auch Kontakt in die Riege der ganz reichen Erben.
Ein Erbe kann belasten: Es schafft Distanz zu „ärmeren“ Freunden. Erben leben unter ihren Möglichkeiten, um keinen Neid zu wecken. Das Geld wird als unverdient empfunden, bleibt unangetastet auf dem Konto.
Philanthropie, Spenden und Stiftungen spielen im Buch keine große Rolle. Wer diesen Aspekt des Umgangs mit einem Erbe betrachten möchte, ist mit dem Klassiker „Frauen erben anders“ von Marita Haibach besser bedient. Wobei die Ergebnisse der Interviews beider Bücher sehr vergleichbar sind.
Wer sich als Fundraiser mit dem Thema Großspenden, Stiftungs- und Erbschaftsfundraising beschäftigt, für den ist „WIR ERBEN“ eine hilfreiche Lektüre. Das Buch hilft, die mit einem Erbe einhergehenden Ambivalenzen nachvollziehen zu können. Die Lektüre hilft, die eigenen Vorurteile und Reaktionsschemata in Bezug auf das Thema Erbe/Vermögen zu erkennen. „WIR ERBEN“ gibt uns das Verständnis für die psychologischen Effekte einer Erbschaft und eröffnet uns damit einen Weg zur Philanthropie-Beratung – jenseits einer Umverteilungs- oder Gerechtigkeitsdebatte.
Kai Dörfner
Julia Friedrichs. WIR ERBEN. Was Geld mit Menschen macht
Berlin Verlag 2015. 320 Seiten. ISBN: 9783827012098
[D] 19,99 €, [A] 20,60 €, 27,95 CHF