"Das ist zentral, um das Spendenwesen weiter zu entwickeln"

Portrait Günther Lutschinger

Darum geht‘s: Fundraising, Trends, European Fundraising Association, Kampagnen, Verbände, Philanthropie

Wie hat sich das Fundraising in Europa entwickelt? Worauf konzentrieren sich die nationalen Fundraising-Verbände? Die European Fundraising Association hat sich 2002 als deren Zusammenschluss gegründet und beobachtet die Trends. Unser Autor Paul Stadelhofer sprach mit Dr. Günther Lutschinger, der nach vier Jahren als Verbandspräsident Ende November aus dieser Funktion geschieden ist. Sein Fazit: Spezialisten werden immer gefragter. Eine Internationalisierung wurde angestrebt, ist aufgrund der nationalen Nachfrage nach Fundraisern in den letzten Jahren aber ausgeblieben.

Warum kam es 2002 zur Gründung der European Fundraising Association?

Viele der europäischen und auch der internationalen Verbände sehen Ausbildung als eines ihrer wesentlichen Kerngeschäfte. So entstand damals das Bedürfnis, ein gemeinsames Ausbildungsprogramm für Fundraiser in Europa über einen dementsprechenden Verband zu etablieren. Es ist dann in den ersten Jahren über ein EU-finanziertes Projekt gelungen, ein gemeinsames Curriculum zu entwickeln und dieses in mehreren Ländern Ost- und West-Europas zu testen. Das Programm läuft erfolgreich in verschiedenen Ländern, und auch in Deutschland wurde erst vor kurzem wieder ein neuer Bildungsträger zertifiziert. Das EFA-Zertifizierungs-Komitee führt mittlerweile Gespräche mit Bildungs-Experten aus England, Norwegen und Schweden darüber, was der akademische Stand ist, nach dem eine bestmögliche Ausbildung in Europa garantiert werden kann.

Wie hat sich die Ausbildung von Fundraisern entwickelt?

Nach wie vor haben wir in Mittel- und Ost-Europa Länder, in denen Fundraising-Ausbildungen erst etablieren werden müssen. Auf der anderen Seite gibt es Länder, wo neben einer akademischen Ausbildung ein ganzes Bildungs-Portfolio für Fundraiser und Spezialisten innerhalb des Fundraisings angeboten werden. Vor zehn Jahren bildeten wir Fundraiser aus, heute geht es darum, Spezialisten wie Kultur-, Major Donor- oder Online-Fundraiser auszubilden. Spezialisierung ist damit der wesentlichste Trend im Bereich der Aus- und Weiterbildung.

Was ist mit der Forschung?

Vor zehn Jahren gab es relativ wenig akademische Forschung zum Spendenwesen. Heute gibt es quer durch Europa Forschungseinrichtungen, die sich mit Spenden, Philanthropie und Altruismus beschäftigen. Wir schaffen es immer besser, diese Forschungsergebnisse zu den Praktikern – den Fundraisern – über Tagungen sowie Aus- und Weiterbildungen zu bringen.

Der Gap zwischen Forschung und Praxis sollte also geschlossen werden?

Es ist mir ein großes Anliegen, eine Brücke von der Forschung in die Praxis zu schlagen. Das ist zentral, um das Spendenwesen weiter zu entwickeln.

Wie hat sich EFA in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Wir sind als EFA natürlich gewachsen, aber es gibt ein gewisses Auf und Ab. Gerade in unseren osteuropäischen Nachbarstaaten hängen Verbände oft von externer Finanzierung oder EU-Geldern ab. Teils ist die Fundraising-Branche auch so „klein“, dass sich die Etablierung eines Verbandes nicht lohnt und auch langfristig nicht erfolgreich ist.

Gibt es Regionen oder Länder, die sich positiv entwickelt haben?

In Mittel- und Ost-Europa haben sich Tschechien, die Slowakei und der polnische Verband sehr gut entwickelt. Wir zittern noch ein bisschen in Ungarn, was mit der politischen Situation zu tun hat. Dort werden die NGOs von der Regierung nicht unterstützt, sondern wirklich bekämpft. Die politische Situation schlägt sich natürlich im Fundraising nieder, weil es immer auch Unabhängigkeit produziert. Irland ist erst in den letzten Jahren als Verband dazu gekommen,  bietet aber einen sehr interessanten Markt mit sehr innovativen Fundraisern und Fundraising-Konzepten – auch wenn es ein kleines Land ist. Mehr Augenmerk konnten wir auf den südosteuropäischen Raum legen. Slowenien wurde Mitglied, Kroatien ist gerade dabei und Interesse kommt auch aus Serbien und Russland.

Werten Sie die Entwicklung positiv?

Ganz positiv zu werten ist, dass die nationalen Fundraising-Verbände, die sich in EFA zusammengefunden haben, im Durchschnitt jährlich um 5 bis 10 Prozent an Mitgliedern wachsen. Die Zahl der Fundraiser oder NGOs steigt kontinuierlich. Der englische Fundraising-Verband ist der derzeit mit Abstand größte Verband, und er wird jetzt noch größer durch den Zusammenschluss mit der PFRA.

Welche Fundraising-Ansätze und Instrumente haben sich neu entwickelt?

Natürlich ist Social Media und Online dazugekommen. Wir beobachten in Europa parallel, dass durch die demografische Entwicklung das Erbschafts-Fundraising ein immer größeres Thema wird. Dass es mittlerweile in ganz Europa Gemeinschafts-Kampagnen gibt, in denen die Verbände involviert sind, ist eine Entwicklung, die nahezu als Kontrapunkt zu Social Media verstanden werden kann: Soziale Medien gehen sehr in die Breite und sprechen ein junges Publikum an. Beim Erbschaftsfundraising und den zugehörigen Kampagnen geht es um Awareness und nicht um die unmittelbare Frage nach einem Testament. Es geht darum, klar zu machen, dass man einer gemeinnützigen Organisation auch im Testament etwas hinterlassen kann. Partnerschaften haben erfreulicherweise in den vergangenen zehn Jahren zugenommen: Die Fundraising-Verbände bemühen sich zusammen mit anderen Dachverbänden, wie den Stiftungsverbänden, um eine Kultur des Gebens und um die Philanthropie generell.

Das heißt?

Wir kümmern uns nicht nur um die Ausbildung von Fundraisern, sondern darum, dass der Spender gut aufgehoben ist, dass es Selbstregulierungs-Systeme gibt, Strukturen und Kampagnen sowie gemeinsame Aktionstage. Diese Aktivitäten sind ein Symbol für eine stärkere europäische Zusammenarbeit.

Gab es dann auch vermehrt grenzübergreifende Fundraising-Aktivitäten?

In den letzten zehn Jahren haben wir eher selten gemeinsame europäische Fundraising-Aktivitäten gesehen. Grenzüberschreitendes Fundraising ist immer noch ein Randthema. Österreich ist vor kurzem erst Mitglied des Transnational Giving Europe Netzwerks geworden, welches von der King Baudoin Foundation vor einigen Jahren ins Leben gerufen wurde und die steuerliche Absetzbarkeit grenzübergreifender Spenden ermöglicht. Grenzübergreifende Spenden sind aber nach wie vor ein sehr kleiner Teil des europäischen Spendenaufkommens, obwohl die Europäer in den letzten Jahren sehr mobil geworden sind.

Sind die Fundraiser selbst mobiler geworden?

Es ist überraschend, dass sich die Mobilität nicht so sehr im Fundraising widerspiegelt, wie man sie in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes sieht. Selten arbeiten Fundraiser in anderen Ländern. Die Mobilität, die man im europäischen Markt auch durch die Zertifizierung von Kursen erwartet hätte, ist noch nicht in dem Maß eingetreten. Innerhalb der internationalen Organisationen gibt es natürlich Leute, die vom nationalen in den internationalen Teil wechseln. Selbst im deutschsprachigen Raum ist es aber eher die Ausnahme, dass beispielsweise Österreicher in der Schweiz oder Schweizer in Deutschland arbeiten. Fundraising ist noch immer ein Wachstumsmarkt, und sicher ist das für Fundraiser eine gute Botschaft: Es werden nach wie vor in ganz Europa gut ausgebildete Leute gesucht. Es war eine Idee des europäischen Curriculums zu sagen, dass eine Ausbildung in Ungarn mit einer in England vergleichbar ist. Natürlich gibt es immer auch andere Inhalte und ein anderes lokales Flavour, aber zumindest stimmen Stundenanzahl und die Standards überein. Wir sind stolz, dass über 4.400 Fundraiser ein EFA-Zertifikat erhalten haben.

Hier geht's weiter zur European Fundraising Association.

Hier geht's weiter zum Fundraising Verband Austria.

Foto: PR / Fundraising Verband Austria

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