Ein Weingut für die gute Sache oder „Mit Genuss Gutes tun“

Walter Herberth Europäische Stiftungsweingüter

Von Zeit zu Zeit ein Glas Wein zu trinken ist gut für die Gesundheit, heißt es im Volksmund. Das stimmt vor allem, wenn es sich um ein Glas Wein aus den Europäischen Stiftungsweingütern handelt. Dann dienen die Einnahmen aus dem Verkauf nämlich auch sozialen Zwecken – meistens aus dem Gesundheitsbereich. Walter Herberth ist der neugewählte Vorstandsvorsitzende der Vereinigung Europäischer Stiftungsweingüter e.V. Im Hauptberuf ist Herberth Leiter der Stiftung Juliusspital in Würzburg und führt den historischen Titel „Oberpflegamtsdirektor“. Im Interview mit unserem Autor  Paul Stadelhofer erzählt er von der bewegten Geschichte seiner Stiftung und er erklärt, wie Weinwirtschaft und soziale Projekte zusammenpassen.

Seit 1576 existiert die Stiftung Juliusspital in Würzburg und schon im Mittelalter kombiniert sie soziale Zwecke mit dem Weinbau. Wie genau hängt beides zusammen?
Die Stiftung verfolgt soziale Zwecke in Form der Kranken- und Altenpflege. Die Grundidee des Stifters war es Einnahmen zu erzielen in den Bereichen Wein-, Land- und Forstwirtschaft, um Menschen zu helfen, die krank, arm oder gebrechlich sind. Auf dieser Basis funktioniert die Stiftung auch heute noch. Trotzdem hat sie viele Wandlungen durchlebt. Auch angesichts neuer Finanzierungsformen durch die Kranken- und Pflegekassen in unseren Sozialbetrieben. Die Einnahmen aus unserem Weingut, um das auf den Punkt zu bringen, dienen aber immer noch dazu diese Aufgaben zu unterstützen. Sie befähigen uns dazu unseren Stiftungsauftrag neu zu interpretieren und zeitgemäße soziale Einrichtungen auf den Weg zu bringen, wie zum Beispiel im letzten Jahr ein Hospiz als Pflegeeinrichtung für schwerst- und sterbenskranke Menschen. Die Einnahmen aus dem Weingut unterstützen das Projekt finanziell.

Das Juliusspital ist nicht die einzige Stiftung, die eigene Weinberge mit diesem Zweck unterhält, richtig?
Ja. Deswegen haben sich auch einige Weinbau treibende Stiftungen zusammengeschlossen: Um diesen Gedanken, der uns alle vereinigt, voranzubringen und zu kommunizieren, um so auch viele Unterstützer zu finden, die den Wein einer Stiftung auch darum gerne genießen, weil sie damit soziale Zweck unterstützen. Der Zusammenschluss dieser Stiftungen in den Europäischen Stiftungsweingütern passierte 1994 auf das Betreiben der Stiftung Bürgerspital zum Heiligen Geist Würzburg hin. Treibende Kraft in diesen zwanzig Jahren war mein Kollege aus Freiburg im Breisgau, Stiftungsdirektor Lothar A. Böhler, der maßgeblich auf die Gründung eines eingetragenen Vereins im Jahr 2008 hingewirkt und die Vereinigung seitdem als erster Vorsitzender geführt hat.

Gibt es denn auch Stiftungen im Verband, die direkt ihre satzungsgemäße Arbeit mit dem Betrieb ihrer Weingüter kombinieren?
Alle Mitgliedstiftungen kombinieren ihre Aufgabenstellung mit den Einnahmen aus den Weingütern. Ich kann Ihnen auch gerne ein Beispiel aus der Stiftung Juliusspital berichten, das sich auf die Seniorenarbeit bezieht. Wir haben eine beschützende Station. Dort werden Menschen betreut, die demenzkrank und in Folge dessen auch weglaufgefährdet sind. Diese Station haben wir eingebunden in das Projekt „Stiftsschöpple - Demenzkranke helfen im Weinberg mit“. Das Projekt ist entstanden aus der Idee eines unserer Weinbergsmeister und der Wohnbereichsleiterin. Sie hatten die Idee geboren, dass die Bewohner dieser Station mit in den Weinberg gehen unter pflegerischer Betreuung und fachlicher Anleitung, um an den Weinbergsarbeiten teil zu nehmen. Das heißt der Winzermeister leitet demenzkranke Menschen an und zeigt ihnen wie eine Rebe geschnitten wird, wie das Rebholz aus dem Drahtgeflecht herausgezogen wird und wie Reben, die neu nachwachsen, angebunden werden. Das geht bis hin zur Weinlese und zu Kelterarbeiten. Dieses Projekt hat für uns hohen Wert, da die Bewohner durch die Beschäftigung im Weinberg eine Abwechslung vom Heimalltag erfahren. Es ist sichtbar und spürbar, wie den Bewohnern die Bewegung und Tätigkeit an der frischen Luft gut tut. Bezeichnend für die gute Resonanz ist die Frage einer demenzkranken Frau: „Wann werden wir wieder im Weinberg gebraucht?“ Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung auf das Personal. Die Weinbergsmitarbeiter werden mit betreuungsbedürftigen Menschen konfrontiert und entwickeln ein Gefühl für den Umgang mit der Krankheit Demenz. Und für die Mitarbeiter im Seniorenstift bringt der Tag im Weinberg eine Auszeit von der Pflegeroutine. Das Projekt läuft schon seit fünf Jahren und wurde auch vom Bundesverband der privaten Anbieter sozialer Leistungen mit dem Quality Award 2013 prämiert, weil damit eine unmittelbare Darstellung der Stiftungsidee zum Ausdruck kommt.

Derzeit sind 14 Weingüter unter den Europäischen Stiftungsweingütern vertreten. Was ist der am häufigsten verfolgte Zweck dieser Stiftungen?
Der Schwerpunkt liegt eindeutig in der sozialen Zweckbestimmung und hier in den Bereichen Alten- und Krankenpflege. So auch bei der Stiftung Bürgerspital z.Hl. Geist Würzburg, bei der Stiftung Juliusspital Würzburg, bei der Heiliggeistspitalstiftung Freiburg, bei den Vereinigten Hospitien Trier, der Bürgerlichen Heiliggeist-Stiftung Passau, der Spitalstiftung Konstanz, der Stiftung Liebenau und der Fondation de l’Hôpital Pourtalès – Neuchâtel sowie bei Cru de l’Hôpital, Môtier, Schweiz. Ein zweitzer Schwerpunkt liegt in der Jugend- und Behindertenhilfe in Freiburg, Ortenberg, und Kartause Ittingen - Warth in der Schweiz. Bei den Stiftungen Muri Gries – Bozen, Italien und beim Stift Klosterneuburg, Österreich, steht die Aufgabe der spirituellen Betreuung der Menschen im Vordergrund.

Wo befindet sich denn das älteste Weingut aus ihrem Verband?
Das älteste Mitgliedsweingut Deutschlands liegt in Konstanz. Die Spitalkellerei in Konstanz geht auf das Jahr 1225 zurück. Dann folgt  die Heiliggeistspitalstiftung Freiburg, gegründet im Jahr 1298. Das Bürgerspital in Würzburg existiert seit 1316 und feiert in zwei Jahren seinen 700sten Geburtstag. Das Juliusspital liegt mit 438 Jahren im „Mittleren Alter“ und die Fondation de l’Hôpital Pourtalès - Neuchâtel (Schweiz) mit 206 Jahren sowie die Vereinigten Hospitien in Trier mit 160 Jahren sind vergleichsweise  „Youngster“ in dieser Kategorie.
Das älteste Mitglied ist Stift Klosterneuburg, Österreich, das in diesem Jahr den 900sten Gründungstag feiert, also im Jahr 1114 gegründet wurde.

Was treibt Sie selbst zu einem Engagement in diesem Rahmen? Woher rührt Ihre Begeisterung für die Stiftungsweingüter?
Mich fasziniert seitdem ich in der Stiftung Juliusspital tätig bin, zunächst als Krankenhausleiter und seit fünf Jahren als Stiftungsleiter, die soziale Aufgabenstellung auf der Basis der genannten wirtschaftlichen Grundlagen in Kombination mit der Zeitdauer. Die Vorstellung, dass vor 438 Jahren jemand eine gute Idee hatte, die sich bis heute dem Grunde nach hält. Das ist immer wieder faszinierend und das bewegt – neben der Notwendigkeit zum Gelderwerb – auch die rund 1300 Mitarbeiter unseres Spitals dazu, ihrer Tätigkeit mit Begeisterung nachgehen.
Dass sich die Stiftungsweingüter 1994 zusammengefunden und 2008 auch als Verein eingetragen haben, um sich stärker zu organisieren, steigert meine Faszination dafür noch weiter. Wenn wir als europäische Stiftungsweingüter auftreten, dann findet das häufig großes Interesse. Schon die Anzahl der 14 Mitgliedsstiftungen bringt ein anderes Gewicht mit sich. Hinzu kommt der internationale Charakter der europäischen Stiftungsweingüter. Was früher wenige gedacht haben, ist heute schon selbstverständlich: Dass man auch im Stiftungsbereich über die Ländergrenzen hinausgeht. Wir hätten natürlich gerne auch französische Stiftungen dabei, aber das ist uns bislang nicht gelungen.
In jedem Fall wollen wir weiter  wachsen, sukzessive weitere Stiftungen mit Weingütern gewinnen und die Idee weiter in die Zukunft tragen. Es ist kein Geschäft, das mit schnellem Effekt verknüpft ist, sondern es geht darum mit langem Atem und nachhaltig an diesem Thema zu arbeiten. Wir tun dies mit dem Slogan: „Mit Genuss Gutes tun“.

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